Delphine de Vigan
stellt ihren Roman »Loyalitäten« vor
Seine Haut ist frei von blauen Flecken. Doch auch wenn die Schulkrankenschwester keine offenen Wunden ausmachen kann, ist sich Hélène sicher, dass der 12-jährige Théo Gewalt erleidet. Viel zu vertraut sind ihr die kleinen Verhaltensänderungen, die Verpanzerung, das unauffällige Verstummen. So beobachtet sie ihn genau während ihres Unterrichts.
Mit Mathis, seinem besten Freund, kriecht Théo auf dem Schulhof in eine uneinsehbare Nische und macht vergessen, wie kaputt alles ist. Mit jedem Schluck Alkohol wird das hohe Surren in seinem Kopf ein wenig gedämpft. Mit einer ganzen Flasche dieser scharf brennenden Flüssigkeit, so hofft er, lässt sich alles vollständig taub machen … Théo ist ein Grenzgänger. Alle sieben Tage packt er seine Sachen, um zwischen den Wohnungen seiner getrennt lebenden Eltern zu pendeln. Für seine Mutter schürt er als Feindesabbild den Hass, bei seinem Vater versucht er verzweifelt der verdreckten Wohnung beizukommen. Er spricht darüber nicht. Mit niemandem.
Delphine de Vigan reißt das vordergründig rein positiv besetzte Netz aus zugewandten Verbindungen auf. Sie legt Loyalität als Falle frei, als Zusage von Deckung und Hilfe über die eigenen Kräfte hinaus.
Nach »Tage ohne Hunger« und »Nach einer wahren Geschichte« weiß die vielfach prämierte Autorin in »Loyalitäten« (DuMont; Übersetzung: Doris Heinemann) erneut durch Wörter zu erschüttern.
Moderation: Judith Heitkamp
Deutsche Lesung: Marta Dittrich
Medienpartner NDR Info
Donnerstag, 22.11.2018
19.30 Uhr
€ 12,–/8,–
Literaturhaus